Die heute älteren Schwisselerinnen und Schwissler und mit ihnen die Jungen und Mädchen etlicher Generationen seit Anfang des 19. Jahrhunderts: Sie alle hatten den „Vorzug“, in unmittelbarer Nachbarschaft ihres Zuhauses die Schulbank drücken zu können. Ende der 1960er Jahre endete dieser Teil der Geschichte des inzwischen über 160 Jahre alten Schulgebäudes inmitten von Schwissel. Heute dient die „alte Schule“ als gemeindeeigenes Wohnhaus.
Chronologie
1803: Schulbetrieb in Schwissel: wie aus der Volkszählung von 1803 (Originaldokument liegt leider nicht vor) hervorgeht, fand
bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Schulbetrieb in Schwissel statt. Dieser wurde aber noch in einem anderen
Gebäude als der „alten Schule“ durchgeführt. Unterrichtet wurden die Kinder von Hinrich Reher, dem „Dorfschulmeister“. Die Anzahl der schulpflichtigen Kinder (6 – 14 Jahre) in Schwissel im Jahre 1803 betrug ca. 25.
1858: Errichtung des Schulhauses als reetgedecktes Gebäude mit zwei Stuben – einer Schulstube und einer Lehrerwohnung mit Küche, Speisekammer und Keller nebst Räumlichkeiten für den Betrieb der Landwirtschaft mit 4,15 Hektar Ackerland und 0,84 Hektar Wiesenland. Das Gebäude an der Dorfstraße mitten im Ort besaß damals noch eine Toreinfahrt, um auf dem Dachboden Heu und Stroh lagern zu können.
1860/70: In der Schulstube drücken rund 40 Kinder die Schulbank – getrennt nach Mädchen und Jungen sowie sortiert nach den Klassenstufen 1 bis 9.
1907: Erster größerer Umbau: Das „Klassenzimmer“ wird wegen steigender Anzahl der Schüler und Schülerinnen vergrößert. Dafür werden zwei ursprüngliche Teile der Lehrerwohnung zu zusätzlichem Unterrichtsraum. Im Gegenzug erhält die Lehrerwohnung zuvor landwirtschaftlich genutzte Räumlichkeiten. Gesamtkosten der Umbaumaßnahmen: 4200 Mark mit Sachmittelkosten in Höhe von 3000 Mark.
1909/10: In der Schwisseler Schule werden 48 Kinder unterrichtet. Ein eigener Schulbrunnen sorgt für die Trinkwasserversorgung. Die Torfgewinnung im schuleigenen Moor stellte die Beheizung der Schulstube und des Lehrerhaushalts sicher.
1928/31: Nächster größerer Umbau: Das Reetdach des Schulgebäudes wird abgetragen und durch ein Ziegeldach ersetzt. Zugleich wird das ursprüngliche Hoftor zu einem gemauerten Hauseingang umgestaltet. Im neuen Dachgeschoss wird aus dem ehemaligen Strohlager ein Zimmer mit Bad.
Herbst 1941 Vorübergehende Einstellung des Schulbetriebs.
bis Juli 1944: Der Schulbetrieb in Schwissel wird wegen des drastischen Rückgangs an Schulkindern (zuletzt nur noch 9) vorübergehend eingestellt. Die verbliebenen Schülerinnen und Schüler werden auf Bebensee und Traventhal aufgeteilt. Im Juli 1944 wird der Unterricht mit 30 Schülerinnen und Schülern wieder aufgenommen: 16 der Kinder stammen aus Bebensee und Schwissel sowie 14 aus Traventhal und Herrenmühle.
1945: Insbesondere in Folge des Flüchtlingsstroms von Heimatvertriebenen sowie aus den zerstörten Städten und Regionen zum Ende des Zweiten Weltkriegs verdreifachte sich die Bevölkerung von Schwissel von vormals 100 auf rund 300, so dass im Jahr 1946 die Anzahl der Schülerinnen und Schüler bei 51 lag.
1958: Der Unterrichtsraum wird zum „archäologischen Anschauungsort“. In der Zeit der Grabungen von Vorgeschichtsforschern auf Schwisseler Äckern zur Sicherung umfangreicher germanischer Urnenfunde wird der Unterrichtsraum in der Schule zum archäologischen Anschauungsort. Und auch an der Bergung der über 2000 Jahre alten Urnen haben sich manche Schwisseler Schulkinder tatkräftig beteiligt, wie unter anderem die Zeitschrift „HörZu“ in ihrer Ausgabe vom 16. November 1958 berichtete.
09.01.1967: Einstellung des Schulbetriebs in Schwissel. Nach entsprechenden Schulreformen mit Abschaffung der sogenannten „Zwergschulen“ sowie rückgängiger Kinderanzahl wird der Schulbetrieb in Schwissel eingestellt. Die Dorfkinder beginnen seither im ca. 7 Kilometer entfernten Leezen ihre schulische Laufbahn. Das Schulgebäude selbst verblieb – anders als in vielen anderen Dörfern – bis heute in Gemeindehand.
Mit Ende des Schulbetriebs: Planungen für eine sinnvolle Nachnutzung des Schulgebäudes
„Was wird aus der alten Schule?“ – diese Frage hat die Schwisseler Dorfgemeinschaft lange Jahre beschäftigt. Eines war dabei immer klar: Für die erforderlichen Umbaumaßnahmen würde viel Geld benötigt. Zwar hat Schwissel immer sparsam gewirtschaftet, da dies den jeweiligen Gemeindevertretungen zusammen mit den Bürgermeistern über Jahrzehnte hinweg ein zentrales Anliegen war, doch standen zugleich andere vorrangige Projekte in unmittelbarer Konkurrenz zum ehrgeizigen Sanierungsprojekt „alte Schule“. So wurde dem Auf- und Ausbau der Wasserversorgungsanlage, der Sanierung des noch aus 1908 stammenden Leitungsnetztes, dem Bau der Kanalisation und der Erdgasversorgung sowie der Sanierung der Straßen im Dorf und dem Anschluss der Gemeinde an das Glasfasernetz aus guten Gründen Priorität gegenüber der alten Schule eigeräumt. Diese ambitionierten Projekte haben über die Jahre etliche Millionen D-Mark und Euro verschlungen.
So war es beinahe zwangsläufig, dass konkrete Planungen für die „alte Schule“ zunächst auf Eis gelegt werden mussten. In der Phase der Zwischennutzung diente das Schulgebäude als Wohnraum sowie ab 1977 Schwisseler „Speckstein-Hobby-Künstlerinnen und -künstlern“ als Werkstatt.
Bewegung in die Planungen kam schließlich zu Beginn der 2000er Jahre
Jürgen Hildebrandt-Möller – von 1990 bis zu seinem Tod im Oktober 2022 stolze 32 Jahre Bürgermeister von Schwissel – trieb die Zukunftsfrage der „alten Schule“ schon lange um und er setzte dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung. Die viel diskutierte Idee: Wäre es nicht wünschenswert und machbar, das rund 240 m² große Gebäude zu einem Zentrum der Begegnung für die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde umzugestalten – mit Tagungsräumlichkeit für die Gemeindevertretung sowie die Freiwillige Feuerwehr und die Dorfvereine? Alternativ diskutierten die Schwisselerinnen und Schwisseler darüber, ob nicht ein Anbau ans Feuerwehrgerätehaus erfolgen und die „alte Schule“ anderen Zwecken zugeführt werden sollte. Die finale Entscheidung über diese zentrale Frage musste dann aber noch warten: Ende 2003 teilte das Amt Leezen der Gemeinde mit, dass den Gemeinden im Amtsbezirk allein für 2004 rund eine Viertel Millionen Euro in Folge sinkender Steuereinnahmen weniger zur Verfügung stehen würde. Der Umbau des Schulgebäudes musste also verschoben werden.
Klar blieb, dass die „alte Schule“ auf jeden Fall erhalten und saniert werden sollte. Schließlich entschied sich die Dorfgemeinschaft für den Neubau ihres im November 2006 in überwiegender Eigenleistung entstandenen „Uns Dörphus“ als zentralem Ort der Begegnung in der Anbauvariante ans Feuerwehrhaus. Weitere Infos zu „Uns Dörphus“ finden sich hier.
Mehr Wohnraum: Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen an der „alten Schule“ in den Jahren ab 2005
In der „alten Schule“ entstanden in den Jahren ab 2005 mit Hilfe umfassender Umbau- und Modernisierungsarbeiten zwei weitere Wohnungen, so dass Schwissel heute im Schulgebäude über vier gemeindeeigene Mietwohnungen verfügt. Seinen ursprünglichen baulichen Charakter hat das inzwischen über 160 Jahre alte Gebäude aber trotz mancher Umbauten nicht verloren.
Die „alte Schule“ heute als gemeindeeigenes Gebäude mit vier Mietwohnungen. Der alte bauliche Charakter ist erhalten geblieben.